Wie LebensGroß begann

Weil unsere Wurzeln wichtig sind.

Von damals bis heute

Es begann mit der Geburt eines Babys mit Trisomie 21:

Im Oktober 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, kam Ralf Pachleitner in Graz zur Welt. Seine Eltern, August und Maria Pachleitner, waren höchst besorgt: Während der NS-Zeit wurden mehr als 5000 Kinder mit Behinderungen in 20 „Kinderfachabteilungen“, darunter Am Feldhof in Graz, ermordet.

Der kleine Ralf überlebte, doch seine Zukunftschancen waren düster. Nach dem Krieg wurden Menschen mit Behinderungen in großen, abgelegenen Anstalten untergebracht. Damit wollten sich Ralfs Eltern nicht abfinden und gründeten 1960 einen „Verein für cerebral gestörte Personen“, der sich wenig später der deutschen Lebenshilfe anschloss.

Die 60er Jahre:
Das Erste Steiermärkische Behindertengesetz

Maria Pachleitner wurde nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes 1961 Präsidentin des Vereins und blieb es bis 1987. Sie war politisch bestens vernetzt und an der Entstehung des Ersten Steiermärkischen Behindertengesetzes, das 1964 beschlossen wurde, beteiligt. Dort waren Leistungen wie Arbeit in Werkstätten und Beschäftigungstherapie angeführt, Rechtsanspruch gab es allerdings keinen.

Die 70er-Jahre:
Das erste Wohnhaus der Lebenshilfe

Immer noch spukten die Gräuel der NS-Zeit in den Köpfen der Eltern, sie sehnten sich nach einer sicheren, geschützten Umgebung für ihre Kinder. Nach jahrelangen zähen Verhandlungen kaufte die Lebenshilfe schließlich die Blumauer Villa in Söding. 1973 wurde dort das erste Lebenshilfe-Wohnhaus, das „August Pachleitner Wohnheim“, eröffnet. Bereits zwei Jahre später war es zu klein und ein zweites Haus wurde auf dem Areal eröffnet, 1984 ein drittes. Zu Spitzenzeiten lebten und arbeiteten 100 Menschen hier.

Die 80er Jahre:
Der Weg zur Integration

In der ganzen Steiermark entstanden ähnliche Eltern-Initiativen, die sich der Lebenshilfe anschlossen. 1981 war es Zeit für eine neue Struktur der rasch gewachsenen Organisation: Aus einer steirischen Lebenshilfe wurde der Landesverband mit verschiedenen regionalen Sektionen. Die Lebenshilfe Graz und Umgebung (GUV) war eine davon. Nun entstand mit der Wolkensteingasse auch in Graz ein Wohnangebot, 1991 ein großes Wohn- und Arbeitsprojekt in der Casalgasse.
Die Kinder der Gründer:innen waren inzwischen erwachsen geworden und eine neue Generation junger Eltern wollte weg von den Sondereinrichtungen.

„Integration“ war international zum Leitbegriff geworden, Selbstbestimmung und ein „Leben wie andere auch“ das Ziel.
Mit der Eröffnung einer Frühförderstelle und der ersten Trainingswohnungen Ende der 80er-Jahre war die Lebenshilfe in Graz österreichweit Vorreiterin.

 

Und wieder war es ein Neugeborenes mit Trisomie 21, das seine Eltern zum Engagement bei der Lebenshilfe bewegte.

1980 kam Wolfgang Vennemann zur Welt, dessen Mutter Ursula – eine begeisterte Kämpferin für Integration und Inklusion – bis heute Präsidentin des Vereins Lebenshilfe GUV ist. Ihr Sohn Wolfgang gehört zur ersten Generation steirischer Kinder, die in Kindergarten und Schule integrative Angebote nutzen konnte.

ältere Frau mit Perlenkette, Frau Ursula Vennemann Präsidentin des Vereins Lebenshilfe GUV

„Im Kindergarten gab es eine Förderung für unseren Sohn Wolfgang. Ich hätte das Miteinander von Kindern mit und ohne Behinderung halt gerne auch in der Schule gehabt und habe nach Möglichkeiten zu suchen begonnen. So kam es schließlich zum ersten „inklusiven“ Schulversuch. […]

 

Das ist es, was mir persönlich wichtig ist. Wir haben nur eine Welt, in der wir leben. Und je mehr ich über Behinderung weiß, desto mehr verschwindet die Berührungsangst.“

Ursula Vennemann Präsidentin des Vereins Lebenshilfe GUV (Zitat aus: Wir haben nur eine Welt, in der wir leben. 2017)

    Die 90er Jahre:
    Starke Öffnung nach außen

    In den 1990er Jahren gab es bei der Lebenshilfe fast jedes Jahr die Eröffnung eines neuen Angebotes zu feiern. Der Rückbau des Standortes Söding war Teil der Normalisierung, kleinere Wohneinheiten mitten in Ortschaften wurden nun angestrebt. Große mediale Aufmerksamkeit bekamen Schulbuffets und die Konditorei Famoos, wo Menschen mit Behinderungen mit ihrer Arbeit in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden.

    Die Nuller-Jahre:
    Inklusion wird rechtlich verankert

    Die Weichen waren bei der Lebenshilfe GUV, die mittlerweile stark angewachsen war, auf Professionalisierung und Modernisierung gestellt: 2002 bekam sie eine neue Struktur mit vier Bereichsleitungen. Im gleichen Jahr startete mit dem Projekt „Start?Klar!“, dem heutigen Jugendcoaching, ein Angebot für die neue Zielgruppe der sozial benachteiligten Jugendlichen.

     

    2004, 40 Jahre nach dem ersten Gesetz, trat das – wieder unter Beteiligung der Lebenshilfe – lang verhandelte neue Steiermärkische Behindertengesetz in Kraft. Unter dem Motto „Anspruch statt Almosen“ setzte es auf mobile Betreuung, persönliche Assistenz und andere flexible Angebote. Viele Dienstleistungen, die die Lebenshilfe GUV entwickelt hatte, fanden Eingang in das neue Gesetz, in dem die Idee der Inklusion rechtlich verankert wurde.

    Nach 2010:
    Aus der Lebenshilfe wird LebensGroß

    2016 wurden alle Betriebe des Vereins in die GmbH „Lebenshilfen Soziale Dienste“ eingebracht, die außerdem eine Tochtergesellschaft in der Assistenz GmbH hat. Der Name „Soziale Dienste“ war Programm:

    Die Institution selbst sollte in den Hintergrund treten, die Menschen dynamisch und vielfältig begleitet werden. 2022 kommt es außerdem zur Eingliederung der erfa GmbH, 2023 zur Namensänderung in LebensGroß.

    Weitere geschichtliche Entwicklungen bei LebensGroß

    2016:

    • Die Lebenshilfe schafft eine eigene Einrichtung zur Unterstützung von Asylsuchenden
    • Das Forschungsbüro Menschenrechte beginnt seine Arbeit

     

    2017:

    • Das Haus „Perschlerstraße“ mit Tageszentrum/Senior:innengruppe und drei Tagesförderstätten eröffnet in Voitsberg
    • Das Projekt MOI (Move on to inclusion) startet sein Engagement für Inklusion im Sport

     

    2018:

    • Mit „Step by Step II“ wird die berufliche Integration von teilarbeitsfähigen Menschen unterstützt

     

    2019:

    • Das Projekt „Vormodul der Produktionsschule“ (VOPS) startet, bei dem sich Jugendliche mit Lernschwierigkeiten auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten können

    2020:

    • Das inklusive Redaktionsteam übersetzt Nachrichten der Kleinen Zeitung und des ORF in einfache Sprache
    • Der Wohnverbund Reininghaus eröffnet im gleichnamigen Stadtteil. Dort befinden sich erstmals auch Kurzzeitwohnungen für Menschen mit Behinderungen

     

    2021:

    • Das LeLi-Tageszentrum für Menschen mit Essstörungen nimmt in Reininghaus seine Arbeit auf
    • Die Lebenshilfe veranstaltet die „Digital.Perspektiven 21“ – eine Online-Tagung für eine inklusivere digitale Zukunft
    • Im Projekt MOI-Events werden Menschen mit Behinderungen zu Sportmanagement-Assistentinnen ausgebildet
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